Definition, Ursachen, Behandlung und Diagnostik von ADHS im Erwachsenenalter

Inhaltsverzeichnis

Definition von ADHS

Wie wird ADHS und ADHS im Erwachsenenalter eigentlich definiert? Was sind seine Ursachen und wie wird es diagnostiziert und behandelt? Sind Menschen mit ADHS per se krank? Nein, das sind sie nicht. Sie haben mit ADHS vielmehr eine Verhaltensvariante die sich in leichten, mittelschweren und schweren Ausprägungsgeraden zeigt (ADHSpedia® Enzyklopädie, o. J.a. c.). Es gibt somit auch eine Vielzahl von ADHS Betroffenen die dadurch in ihrem Lebensverlauf gar keinen Leidensdruck oder Herausforderungen erleben. Der Schweregrad der Symptomatik ist fließend (Neuy-Bartmann, 2019).

ADHS, die Aufmerksamkeitsdefizit/Hyperaktivitätsstörung“, wird durch die folgenden drei Leitsymptome definiert:

      • Aufmerksamkeitsdefizit
      • Impulsivität
      • Hyperaktivität (in bestimmten Fällen)

 

Jedoch sind diese Leitsymptome nicht bei allen Betroffenen gleich ausgeprägt. Die ICD-11 unterscheidet daher drei Formen von ADHS:

      • ADHS vom unaufmerksamen Typ mit ausgeprägten Aufmerksamkeitsstörungen und Konzentrationsstörungen 
      • ADHS mit überwiegend hyperaktiven und impulsiven Symptomen 
      • ADHS vom kombinierten Typ mit ausgeprägten Aufmerksamkeitsstörungen, Konzentrationsstörungen und auch Hyperaktivität und Impulsivität, wobei keines der beiden signifikant stärker auftritt (ADHS Kompakt ev, 2022)


Noch in den 80er Jahren ging man davon aus, dass diese Störung nur Kinder und Jugendliche betrifft
(Hinkelmann, 2016 c.). Insbesondere Mädchen und Frauen mit ADHS haben oft auch eine Hypoaktivität. Die Betroffenen sind verträumt und langsam statt hyperaktiv. Die Begriffe ADHS und ADS werden oft parallel  oder synonym verwendet, so wie auch in meinem Blog.

Forschungen zeigen, dass bei 50-80 Prozent der Betroffenen im Kinder- und Jugendalter auch im Erwachsenenalter die Symptome weiter bestehen. Die Aufmerksamkeitsdefizit/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) bzw. die Aufmerksamkeits-Defizit-Störung ohne Hyperaktivität (ADS) treten mit 5% im Kindesalter und mit 2,8% im Erwachsenenalter als Erkrankung oft auf (Philipsen & Döpfner, 2020).

ADHS Symptome können sich vom Kindesalter bis ins Erwachsenenalter verändern. Viele Betroffene können so im Erwachsenenalter ihre Impulsivität besser kontrollieren. Und eine ausgeprägte Hyperaktivität als Kind kann sich bei Erwachsenen in einer starken rein innerlichen Unruhe zeigen. Für Betroffene jeden Alters sehr ähnlich ist jedoch die Aufmerksamkeitsstörung die sie sehr belastet (Ratgeber ADHS, o. J.a. q.),

Im Kindes- und Jugendalter kann es häufig zu Fehldiagnosen kommen, während Erwachsene jedoch immer noch zu selten eine korrekte Diagnose ADHS erhalten (Calia, 2008).  Dies liegt auch daran, dass ADHS bei Erwachsenen heute leider immer noch kaum bekannt ist. Das führt häufig dazu, dass viele Betroffene zwar einen hohen Leidensdruck haben, jedoch nicht darauf kommen, dass der Grund dafür eine unerkannte ADHS sein könnte. Auch Fachleute im medizinischen Bereich haben oft noch zu wenig Wissen was dieses komplexe Störungsbild angeht, wie man es am besten behandelt und welche Folgen die Störung für betroffene Menschen und ihre Umgebung haben kann (ADHS Deutschland e.V., o. J.a.).

Dies begründet auch mein ganz persönliches warum. Auch ich habe meine Diagnose erst mit Mitte 30 erhalten. Auf Grund meines eigenen (Um)weges ist es mir heute eine absolute Herzensangelegenheit, mit meiner ADHS offen umzugehen und so noch mehr Bewusstsein, Aufklärung und Hilfe zur Selbsthilfe für ADHS im Erwachsenenalter zu schaffen.

 

 

Ursachen von ADHS

Laut neuesten Untersuchungen ist ADHS hauptsächlich durch eine Störung des Hormonstoffwechsels im Gehirn verursacht, wobei der Verlauf auch von psychosozialen Faktoren beeinflusst wird. Die Störung ist komplex. Es geht bei ADHS jedoch weder um eine Charakterschwäche Betroffener, noch um das Resultat einer unzureichenden Erziehung im Kindes- und Jugendalter. Jedoch kann es die Symptomatik negativ beeinflussen, wenn Eltern sich selber nicht strukturiert organisieren, wenig konsequente Erziehungsregeln umsetzen oder die betroffenen Kinder ihre Eltern ängstlich oder impulsiv erleben. Durch den genetischen Faktor bei ADHS können auch mehrere Familienmitglieder betroffen sein. Dies ist herausfordernd, da sich deren Symptome so gegenseitig verstärken und auf diese Weise eine toxische Stimmung entstehen kann (Neuy-Bartmann, 2019).

Bei ADHS ist die Regulation von körpereigenen Neurotransmittern im Frontalhirn (besonders Dopamin und Noradrenalin) gestört und somit die Reizweiterleitung. Dies führt dazu, dass die relevanten Botenstoffe nicht  gleich verteilt aufgenommen und abgegeben werden, was als nicht heilbar betrachtet wird (ADHS Deutschland e.V., o. J.a.). Das Frontalhirn hat die Aufgabe Prioritäten zu setzen, Entscheidungen zu treffen, Erfahrungen zu reflektieren und die Informationsverarbeitung zu steuern. Bei ADHS ist es nicht komplett entwickelt, ebenso die Reizfilterung im Gehirn. Betroffene fühlen sich häufig reizüberflutet und es stellt eine enorme Herausforderung dar, die Masse an Reizen und Informationen die auf sie herein prasselt zu sortieren und zu verarbeiten. Das hat gravierende Auswirkungen auf ihr Arbeitsgedächtnis. Du kennst sicher beim Arbeitsspeicher eines Computers, dass dieser blockiert und sich aufhängt, wenn er von Informationen und Befehlen überlastet ist. Er benötigt dann einige Zeit, bis er wieder reibungslos läuft inklusive aller Programme. Oder aber er stürzt ab und man muss den Computer und alle Programme neu starten. Ähnlich ergeht es Betroffenen von ADHS. Sie blockieren sich bei zu starker Reizüberflutung unbewusst und automatisch und schweifen in ihren Gedanken ab und machen einen geistesabwesenden Eindruck wie in ihrer eigenen Gedankenwelt (Huggenberger, o. J.a.).

 

Behandlung von ADHS

Medikamente können dieses Ungleichgewicht an Neurotransmittern deutlich verringern, wenn deren Einnahme für Betroffene in Frage kommt und sie mit den Nebenwirkungen vertragen werden und wirken (ADHS Deutschland e.V., o. J.a.). ADHS wird über die reine empfohlene Einnahme von Medikamenten in der Regel ambulant und multimodal behandelt, um die Symptome zu lindern, und besser mit seiner ADHS   zu leben. Das heißt über die medikamentöse Therapie hinaus kombiniert man Psychoedukation und idealerweise auch eine Psychotherapie. So wird eine Struktur geschaffen, um dem Betroffenen schnellst möglich zu helfen, selbstwirksam seine Lebensgestaltung so zu verändern, dass er ein besseres psychisches Wohlbefinden erlangt.

Eine multimodale Therapie wird von einem auf ADHS spezialisierten Experten vorgenommen. Dies kann ein ärztlicher oder psychologischer Psychotherapeut sein, ein Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, für psychosomatische Medizin oder für Neurologie. Die ADHS Symptomatik soll so reduziert werden, Herausforderungen und Konflikte im Alltag verringert und das Selbstwertgefühl des Patienten gestärkt (Amrhein, 2020 b.). Auf diese Weise entwickeln sie auch ganz fokussiert ihre positiven Eigenschaften und Talente (ADHS Deutschland e.V., o. J.a.).

Gleichzeitig zielt diese Behandlungsform darauf ab, ggf. zunächst weitere psychische Erkrankungen zu therapieren und zu lindern. Dies sind häufig Depressionen, Ängste oder ein Suchtverhalten wie eine Alkohol- oder Cannabisabhängigkeit, die die ADHS überlagern. Betroffene sind über klassische Drogen hinaus sehr anfällig für Süchte jeder Art. Sei es zu Arbeiten wie ein Workoholic, Sexsucht, Kaufsucht, die Sucht einzukaufen, zu spielen, zu rauchen oder auch zu essen (Neuy-Bartmann, 2019).

 

ADHS Diagnostik

ADHS wird immer als eine umfangreiche Ausschlussdiagnose diagnostiziert. Dies bedeutet, dass alle möglichen körperlichen oder psychiatrischen Differenzialdiagnosen und psychodynamischen Ansätze, die die Symptomatik ebenfalls erklären könnten, ganz klar nicht in Betracht gezogen werden können (Calia, 2008). Somit begründet das Auftreten ADHS spezifischer Symptome also noch kein ADHS, denn in gleicher Kombination können sich diese auch bei anderen Störungsbildern zeigen (ADHSpedia® Enzyklopädie, o. J.a. c.). Essentiell sind daher für die ADHS Ausschluss-Diagnostik neben einer ausführlichen Anamnese auch besondere ADHS Fragebögen und physische Untersuchungen, um andere Grunderkrankungen auszugrenzen (zum Beispiel die Untersuchung der Schilddrüse, EKG, Erhebung des Blutbildes, etc.). Auch Interviews mit Bezugspersonen aus dem Kindesalter werden geführt. Denn oft können sich erwachsene Betroffene gar nicht an ihre Symptome erinnern, die auftraten als sie noch sehr jung waren. Auch Zeugnisse aus der Grundschulzeit können bei der Diagnose unterstützen. Zudem wird mit besonderen Tests die kognitive Leistungsfähigkeit und Leistung der Aufmerksamkeit ermittelt (Ratgeber ADHS, o. J.a. a.).

Um zu erfahren, wer eine ADHS Diagnostik im Erwachsenenalter in Deiner Nähe durchführt, nutze am besten das Internet. In den Suchmaschinen kannst Du zum Beispiel nach ADHS Diagnose, ADHS Arzt, ADHS Ambulanz oder ADHS Selbsthilfegruppen suchen, und hier weitere Informationen finden. Idealerweise gibst Du bei Deiner Recherche auch immer Deine Stadt ein oder die nächst größere Stadt.

 

Leitsymptom Aufmerksamkeitsdefizit

Hier ist der Wahrnehmungsbereich betroffen und gestört. Bei erwachsenen Betroffenen treten Konzentrationsprobleme auf und es stellt eine große Herausforderung dar, den Fokus beizubehalten und ausdauernd bei einer Sache zu bleiben. Man ist leicht durch äußere Reize abgelenkt, hängt den eigenen Gedankensprüngen nach oder driftet ab in Tagträumerei. So kann es sein, dass man nie Strategien gelernt hat, für sich ein gutes Selbst- und Zeitmangement zu verinnerlichen und vielmehr sehr vergesslich ist und auch häufig Flüchtigkeitsfehler macht. Ordnung zu halten kann eine große Herausforderung darstellen und auch Routineaufgaben abzuarbeiten (Huggenberger, o. J.a. & ADHS Deutschland e.V, o. J.a.). Oft kommt es bezüglich der Arbeitsleistung Betroffener zu nicht nachvollziehbaren Leistungseinbrüchen. Finale Arbeitsergebnisse sind häufig gar nicht vollständig oder Teile der Aufgabe wurden gänzlich übersehen. Vor allem innerhalb einer Gruppe kann bei Betroffenen die Aufmerksamkeit stark nachlassen (zentrales adhs-netz, o .J. a.)

Vielfach werden auch Dinge gleichzeitig angefangen, allerdings nie finalisiert. Auch Dinge aufzuschieben ist bei Betroffenen üblich. Alltägliche Gegenstände immer wieder zu suchen wie Schlüssel oder die Geldbörse ist auch typisch für Betroffene. Häufig ist es auch schwierig für sie, bei einem Gespräch aktiv zu zu hören und nicht in Gedanken ganz woanders hin ab zu driften. Auf Geräusche können sie sehr sensibel und reizempfindlich reagieren. Betroffene fühlen sich durch ihr Aufmerksamkeitsdefizit oft innerlich dauergestresst (Ratgeber ADHS, o. J.a. p.). Ihr Langzeitgedächtnis kann einem Elefanten gleichen, jedoch plagt sie ein sehr schwaches Kurzzeitgedächtnis was sie oftmals sehr unzuverlässig macht. Vereinbarungen werden dann einfach vergessen die vielleicht sogar nur zeitlich knapp vorher abgesprochen wurden. Auch eine realistische Planung ihrer Zeit gelingt Betroffenen häufig nicht, ohne sich oder ihre Umgebung nicht noch weiter unter Stress zu setzen (Ratgeber ADHS, o. J.a. c.). Sie trödeln häufig, sind kurz vor knapp oder völlig zu spät bei Terminen. Klare Strukturen und Regeln, um sich selber zu organisieren haben sie im Verlauf ihres Lebens für sich nicht gelernt. So ecken sie in ihrem Umfeld immer wieder an und stehen sich selber im Weg (Neuy-Bartmann, 2019).

 

Leitsymptom Impulsivität

Hier ist der Sozialisationsbereich betroffen. Aufgrund der Reizfilterschwäche im Gehirn spüren Betroffene selten innere Ruhe, da das Gehirn einfach nicht zur Ruhe kommt. Ihre Gedanken tanzen fortwährend impulsiv hin und her oder neue Gedanken entwicklen sich. Betroffene sind in ihrer Gedankenwelt dabei sehr emotional, sprunghaft und oftmals intuitiv und kreativ. Das hat jedoch zur Folge, dass es für sie schwierig ist, zielgerichtet Planungen vorzunehmen und diese zu verfolgen, besonders dann nicht, wenn sie das Thema nicht interessiert (Stern, 2021).

Betroffene handeln und entscheiden häufig ohne vorher darüber nachzudenken, was ihr Verhalten zur Folge haben könnte. Sie unterbrechen gern einmal ihr Gegenüber in einer Unterhaltung oder vervollständigen deren Aussagen (Huggenberger, o. J.a. & ADHS Deutschland e.V, o. J.a.). Eine gestörte Impulsivität äußert sich jedoch auch durch starke Antriebslosigkeit, die einen immer einmal wieder überfällt, und eine empfundene Unfähigkeit oder große Herausforderung, sich selber gut geplant zu organisieren. Der Antrieb Betroffener ist dann deutlich gestört und sich selber zu motivieren ist sehr herausfordernd. Ihren Alltag erleben sie als äußerst kraftraubend und fühlen sich häufig überlastet (Ratgeber ADHS, o. J.a. c.). Dinge werden oft vor sich her geschoben statt sie zu erledigen. Entscheidungen werden vertagt oder unter großem Zögern getroffen, und im Job wird oft oberflächlich gearbeitet. Häufig zeigt sich unter Betroffenen auch eine sehr schwache Frustrationstoleranz und große Ungeduld (Huggenberger, o. J.a. & ADHS Deutschland e.V, o. J.a.). Betroffene fühlen sich häufig bereits durch wenige Ursachen dauergereizt (D’Amelio & Steinbach, o. J.a.). Sie verspüren oft eine intensive innere Unruhe die sich mit Antriebsschwäche abwechselt und  kommen so selten in ein Gefühl innerer Balance. Hat der Betroffene noch nicht gelernt, seine Impulse zu kontrollieren, kann er gegenüber seinen Mitmenschen plötzlich sehr explosiv reagieren (Stern, 2021).

Finanzen sind ebenfalls häufig ein Reizthema, wenn Rechnungen über Wochen einfach ignoriert werden und gar nicht oder viel zu spät beglichen werden. Aus ihrer Impulsivität heraus gönnen sich Betroffene häufig viel zu kostspielige Anschaffungen und leihen sich im schlechtesten Fall dafür noch Geld, was sie dann in die Schuldenfalle treiben kann (Neuy-Bartmann, 2019).

Sie haben häufig eine sehr wechselhafte Stimmung, manchmal nur einige Minuten, manchmal auch tagelang. Meist wird der Wechsel durch etwas Konkretes verursacht und sie schwanken dann zwischen neutraler, deprimierter unzufriedener Laune und leichter Erregung (Ratgeber ADHS, o. J.a. c.). Es kann jedoch auch sein, dass dies ohne ersichtlichen Grund geschieht und Betroffene so in eine Phase voller Weltschmerz oder in ein Hoch ihrer Stimmung abdriften. Was von ADHSlern auch nur sehr herausfordernd ausgehalten werden kann sind Phasen von Langeweile (D’Amelio & Steinbach, o. J.a.). Betroffene von ADHS können emotional zudem sehr viel extremer reagieren als nicht Betroffene. Ihre positiven oder negativen Gefühle überrennen sie dann förmlich. Bei Frauen kann auch häufiger PMS, das Prämenstruelle Syndrom, mit starken emotionalen Schwankungen auftreten (Arztpraxis Hittnau, o. J.a.).

Betroffene fühlen sich häufig schnell provoziert und vergessen oft was sie während einer Auseinandersetzung oder einem spontanen Wutausbruch verletzendes von sich gegeben haben, was ihnen nachher dann oftmals leid tut (Ratgeber ADHS, o. J.a. l.). Im Umgang mit Autoritäten haben sie häufig ein Thema, Anweisungen zu folgen. Auch beim Autofahren agieren sie so oftmals sehr dünnhäutig und ihnen fehlt die Geduld (D’Amelio & Steinbach, o. J.a.). Die sonst so emphatischen ADHSler, die sich für wichtige Herzensmenschen in ihrem Leben mit vollem Elan einsetzen, reagieren unter starkem Leistungs- und Termindruck so oft unvorhergesehen gereizt und emotional, wütend oder auch sachlich hart und abgeklärt.  Dass dieses Verhalten ihre Mitmenschen verletzen kann reflektieren sie oft gar nicht, da sie selber häufig nicht nachtragend sind und glauben, bei ihrem Umfeld verhält es sich ebenso. Dies kann leider ein Trugschluss sein und so stellen Sie sich beim Aufbauen und der Pflege von privaten und beruflichen Beziehungen häufig selber ein Bein, und provozieren so zwischenmenschliche Konflikte und instabile soziale Verbindungen. Denn diese werden genährt von einem wertschätzenden, verlässlichen Miteinander (Neuy-Bartmann, 2019).

Die Umgebung Betroffener erlebt ihn so oftmals wenig berechenbar, was diesen Menschen nach wissenschaftlichen Erkenntnissen starken Stress verursacht. Ihnen fehlt ein sicheres gemeinsames Miteinander. Sie fühlen sich eingeschüchtert und gehen dem Betroffenen aus dem Weg, wenn sie dessen emotionalen Schwankungen immer wieder unberechenbar ausgeliefert sind. Das Umfeld kann darüber sogar krank werden (Spitzer M., 2018).  Auch die Unfähigkeit und Motivation dazu, sich geordnet zu organisieren, zum Beispiel das Durcheinander auf dem Schreibtisch oder das Chaos im Kleiderschrank oder in der gesamten Wohnung, kann das Umfeld von Betroffene überspitzt formuliert in den Wahnsinn treiben. Hier reflektiert das äußere Chaos Betroffener oftmals das innere Chaos im Gehirn des Betroffenen. Teilt man eine gemeinsame Wohnung, können die immer wiederkehrenden Diskussionen und das kränkende Verhalten des Betroffenen dazu führen, dass der Partner ernsthaft krank wird, indem er täglich von Null versucht dem Chaos ohne Erfolg Herr zu werden (Neuy-Bartmann, 2019). 

 

Leitsymptom Hyperaktivität

Hier ist der motorische Bereich betroffen, was sich durch eine äußerlich erkennbare Rastlosigkeit äußert oder aber auch nur rein innerlich: durch innere Unruhe und Getriebenheit und der Herausforderung sich innerlich nicht entspannen zu können. Viele hyperaktive Betroffene können auch ihre Kraft nicht stimmig dosieren und weisen eine unpassende Grob-Feinmotorik auf. Es besteht auch ein Verlangen danach, oft die Körperposition zu wechseln, mit den Füßen zu wippen oder mit den Fingern herum zu nesteln oder generell einfach herumzuzappeln und keine ruhige Position zu finden (Huggenberger, o. J.a. & ADHS Deutschland e.V, o. J.a.). Symptomatisch ist es auch mit den Zähnen zu knirschen oder an den Nägeln zu kauen (Neuy-Bartmann, 2019). Ungeduldig und somit unruhig werden hyperaktive ADHSler auch in langen Meetings oder wenn Sie auf etwas warten müssen oder in einer Schlange anstehen. So etwas quält sie sehr. Am liebsten halten sie sich immer beschäftigt und suchen sich dazu etwas (Takeda GmbH & Co. KG., o. J.a.). Oftmals sprechen Betroffene sehr viel, driften dabei vom eigentlichen Erzählstrang ab und man kommt als Gegenüber kaum dazwischen, um selber einmal zu Wort zu kommen. Die Betroffenen nehmen dies jedoch selber gar nicht wahr (zentrales adhs-netz, o.  J. a.).

Hyperaktive Betroffene agieren oft sehr schnell, offen, innovativ, flexibel und sind direkt in ihrer Art. Reizvoll empfinden sie Berufe die einen gewissen positiven Aufregungsgrad inne haben, z.B. Notarzt oder Rettungssanitäter. Häufige Arbeitgeberwechsel kommen auch bei Betroffenen vor, ebenso viele Umzüge, auch innerhalb der selben Stadt. Ein monotoner Arbeitsalltag und vor allem Langeweile quält sie. Unbewusst ziehen sie immer wieder neue Aufregung in ihren Alltag für regelmäßige Dopamin Kicks für ihren Gehirnstoffwechsel. Falls ihr tägliches Arbeitsleben dies nicht schon bietet, suchen sie privat oft Extremsituationen wie riskantes schnelles Autofahren, Fallschirmspringen, Bungee Jumping, Freiklettern und gestalten sich ihre Wochenenden und Ferien möglichst aufregend. Durch diese Situationen mit Nervenkitzel produziert ihr Körper Adrenalin-ähnliche Stoffe. Diese wirken ähnlich wie ADHS-Medikamente, die Stimulanzien. Die Betroffenen fühlen sich danach innerlich sortierter und ausgeglichener (Neuy-Bartmann, 2019). Dies nutzen Betroffene auch für ihre Arbeit, um aktiviert zu bleiben. Besonders in sehr stressigen Situationen können sie daher ein enormes Durchhaltevermögen bei einer Sache an den Tag legen. Es muss jedoch ein Thema sein, welches sie stark interessiert. Ist dem nicht so, driften sie schnelll gedanklich ab und verlieren den Fokus (Stern, 2021).

 

Hypoaktive Symptomatik

Hypoaktivität ist kein Leitsymptom von ADHS, jedoch sehr wichtig und wird häufig übersehen. Betroffene ohne Hyperaktivität tendieren dazu, sich vom Leben sozial isoliert einzuigeln. Sie geben sich mit wenig zufrieden, um durchs Leben zu kommen, bekommen häufig Hilfe vom Staat und gehen so Belastungen und Konflikten aus dem Weg (Neuy-Bartmann, 2019). Bezüglich ihrer Arbeit wählen sie gerne Berufe, bei der viel Kontakt mit anderen Menschen nicht zwingend nötig ist. Sie suchen sich häufig künstlerische, kreative oder beratende Jobs. Hypoaktive Betroffene können im Arbeitsleben insbesondere von ihrer besonderen Fähigkeit zu hyperfokussieren profitieren, wenn Sie etwas sehr interessiert. Wenn ein subjektiver Leidensdruck durch die hypoaktive Symptomatik besteht, ist es empfehlenswert, dies in einer Psychotherapie aufzuarbeiten. So können selbstwirksame Strategien verinnerlicht werden, um sich mit seiner hypoaktiven ADS mehr Lebensqualität zu schaffen (ADHSpedia, o. J.a. e.).

Denn Betroffene quälen häufig auch Ängste, sie leiden unter auffälliger Müdigkeit, erschöpfen schnell und haben oft einen gehemmten Antrieb. Auch einfache Aufgaben oder die Haushaltsorganisation können als unüberwindbare Hürde empfunden werden, wodurch sie gerne einmal im Chaos versinken. Dadurch isolieren sie sich noch mehr, da ihnen dies peinlich ist. Verfolgen Sie Ziele, brauchen sie oft extrem lange, um diese zu erreichen, oder sie brechen vorher aus Zeitmangel ab. Betroffene sind schüchtern und betrachten dies als nachteilig, weshalb sie unter Leuten teils auch in die Überkompensation rutschen und sich dann besonders selbstbewusst und extrovertiert geben. Hier können sie sich dann allerdings aus dem Blauen heraus auch plötzlich impulsiv und aggressiv verhalten und angriffslustig gegenüber ihrem Umfeld. Dies erschüttert sie selbst dann oft innerlich immens, so dass sie danach häufig längere Zeit benötigen, um sich in ihrem Inneren wieder auszubalancieren und zur Ruhe zu kommen. Da im Laufe ihres Lebens ihr Selbstwertgefühl ohnehin immer wieder gelitten hat, kann eine solche Situation dann ihre allgemeine jetzige Lebenssituation wiederum negativ beeinflussen. Haben sie hingegen Erfolg in etwas, tendieren sie dazu, dies auf Glück zu schieben, anstelle ihre eigene Anstrengung und ihre Leistung zu würdigen und als Grund für ihren Erfolg zu sehen. 

Hypoaktive Betroffene schaffen sich im Laufe ihres Lebens oft ein Berufs- und Privatleben, das von Toleranz geprägt ist und in dem sie sich wohl und akzeptiert fühlen, ganz so wie sie sind (ADHSpedia, o. J.a. e.). Im Laufe ihres Lebens haben sie allerdings auch häufig eine Haltung der erlernten Hilflosigkeit verinnerlicht und lassen sich von anderen Menschen gerne Verantwortung und Herausforderungen abnehmen und sich so passiv versorgen. In einer Partnerschaft kümmert sich der Partner dann oft viel zu intensiv und übernimmt sehr viel mehr, als er eigentlich selber stemmen kann. Vor allem wenn noch Kinder hinzukommen bringt dies häufig das Fass zum Überlaufen und er kann die Passivität des Betroffenen nicht mehr weg kompensieren und formuliert deutlich seinen Unmut, um Luft abzulassen. Für den betroffenen Partner kommt dies jedoch gefühlt sehr plötzlich und er fühlt sich ungerechtfertigt kritisiert, was ihn frustriert und er noch depressiver reagiert als zuvor bereits. Die eigene Selbstreflexion hat er nie gelernt und so kann er die Beziehungsdynamik nicht nachvollziehen. Oft trennt sich der Partner des Betroffenen, und entscheidet sich für seine eigenen Bedürfnisse und seinen Gesundheitszustand, statt in der Beziehung weiter unglücklich zu verbleiben und so seine Kraft und Lebensfreude zu lassen (Neuy-Bartmann, 2019).

Ich hoffe Du hast in diesem Artikel einen guten Überblick erhalten über die Definition, die Ursachen, die Diagnostik, die Behandlung und die Leitsymptome bei ADHS bzw. ADS im Erwachsenenalter. Im nächsten Blogpost geht es um Nebensymptome und die Folgen einer unerkannten ADHS im Verlauf des Lebens. Wenn Du langfristig selbstwirksam Deine Symptomatik lindern möchtest, abonniere doch gerne meinen Blog für regelmäßige Artikel und Impulse zu Selbst- und Stressmanagement bei ADHS im Erwachsenenalter. Oder gönn Dir Deinen ganz individuellen ADHS Selbstcoaching Prozess mit meinem Buch, das im Springer Verlag erschienen ist. Hier gelangst du zur Leseprobe beim Springer Verlag. Kaufen kannst Du es auch direkt dort oder bei Amazon.

Herzlichst

Marion Dahlhoff

 

 

Literatur

ADHS Deutschland e.V. (o. J.a.). Informationen zum Krankheitsbild ADHS. https://www.adhs-deutschland.de/adhs-adhs-ads/informationen-zum-krankheitsbild-adhs-0. Zugegriffen: 18.06.2023.

Amrhein, Dr. C. (2020 b.). Therapie mit Spezialisten. https://www.therapie.de/psyche/info/index/diagnose/adhs-erwachsene/therapie/. Zugegriffen: 03.10.2020.

ADHS Kompakt ev (30.09.2022), Was bedeutet ICD-11, ADHS? Wir klären auf!, https://adhs-kompakt.de/icd-11-adhs/https://adhs-kompakt.de/icd-11-adhs/ Zugegriffen: 30.06.2024.

ADHSpedia® Enzyklopädie (o. J.a. c.). Symptome. https://www.adhspedia.de/wiki/Symptome. Zugegriffen: 05.10.2020.

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Arztpraxis Hittnau (o. J.a.). ADHS EINE KRANKHEIT BEI KINDERN UND ERWACHSENEN. https://arztpraxis-hittnau.ch/gesundheitstipp/adhs/. Zugegriffen: 18.06.2023.

Calia, G. (2008). Deutsches Ärzteblatt 44/2008. Diskussion zu dem Beitrag Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung im Erwachsenenalter- Diagnostik, Ätiologie und Therapie von Dr. med. Alexandra D’Amelio. R. & Steinbach, E. (o. J.a.). Psychoedukation & Coaching bei ADHS im Erwachsenenalter. https://www.uniklinikum-saarland.de/fileadmin/UKS/Einrichtungen/Kliniken_und_Institute/Medizinische_Kliniken/Innere_Medizin_IV/Patienteninfo/Psychologe/WorkshopPsychoedukationCoachingADHS.pdf. Zugegriffen: 24.10.2021.

Dahlhoff, M. (2024). Tapetenwechsel für die Seele. Ihr Selbstcoaching für Stress- und Selbstmanagement bei ADHS im Erwachsenenalter. Springer. Wiesbaden.

D’Amelio. R. & Steinbach, E. (o. J.a.). Psychoedukation & Coaching bei ADHS im Erwachsenenalter. https://www.uniklinikum-saarland.de/fileadmin/UKS/Einrichtungen/Kliniken_und_Institute/Medizinische_Kliniken/Innere_Medizin_IV/Patienteninfo/Psychologe/WorkshopPsychoedukationCoachingADHS.pdf. Zugegriffen: 24.10.2021.

Hinkelmann, R. (2016 c). ADHS bei Erwachsenen. Coaching als innovativer Beratungsansatz für Ärzte und Therapeuten. Elsevier, München.

Huggenberger, Dr. phil. R. (o. J.a.). Therapeutische Vereinigung für Erwachsene mit ADHS: Symptome der ADHS. https://www.adhs-info-schweiz.ch/adhs/symptome-der-adhs/. Zugegriffen: 03.10.2020.

Neuy-Bartmann, A. (2019). ADHS – Erfolgreiche Strategien für Erwachsene und Kinder. Stuttgart. Klett-Cotta.

Philipsen, PD Dr. med. Bernd Heßlinger, Prof. Dr. med. Ludger Tebartz van Elst in Heft 17/2008. https://www.aerzteblatt.de/pdf.asp?id=62153. Zugegriffen: 04.10.2020.

Philipsen, A. & Döpfner, M. (2020). ADHS im Übergang in das Erwachsenenalter: Prävalenz, Symptomatik, Risiken und Versorgung. Bundesgesundheitsbl 63, 910–915. https://doi.org/10.1007/s00103-020-03175-y. Zugegriffen: 03.10.2020.

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Ratgeber ADHS – das Infoportal für Erwachsene mit ADHS (o. J.a. p.). KERNSYMPTOME BEI ADHS: AUFMERKSAMKEITSSTÖRUNG. https://www.adhs-ratgeber.com/adhs-aufmerksamkeitsstoerung.html. Zugegriffen: 18.06.2023.

Ratgeber ADHS – das Infoportal für Erwachsene mit ADHS (o. J.a. q.). ADHS: SYMPTOME.  https://www.adhs-ratgeber.com/adhs-symptome.html. Zugegriffen: 06.01.2024.

Stern, N. (o. J.a.). Endlich Ruhe in meinem Kopf – ADHS und Meditation. https://www.nicolestern.de/ruhe-kopf-adhs-meditation/. Zugegriffen: 07.04.2021.

Spitzer, M. (2018). Rotkäppchen und der Stress (Wissen & Leben): (Ent-)Spannendes aus der Gehirnforschung. Stuttgart. Schattauer.

Takeda Pharma Vertrieb GmbH & Co. KG (o. J.a.). Weil ADHS viele Gesichter hat. https://www.takeda-adhs.de/. Zugegriffen: 24.10.2021.

zentrales adhs-netz (o. J.a.). ADHS im Erwachsenenalter. https://www.adhs.info/fuer-erwachsene/adhs-im-erwachsenenalter/. Zugegriffen: 15.07.2023.

Photocredits

Marion Dahlhoff, Copyright by Marion Dahlhoff

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